Uta Serwuschok / 24. Dez 2014
ZUNEIGUNG: Eine Weihnachtsgeschichte von Uta-Moni
Liebe Blogleser und Facebook-Freunde, hier ist für euch eine kleine Weihnachtsgeschichte. Ich habe sie vor vielen Jahren geschrieben und im Büchlein “Massige Frauen gesucht” veröffentlicht. Ist was für’s Gemüt! Viel Spaß beim Lesen!
ZUNEIGUNG
An einem der Hänge des Alpenmassivs lebt ein Mann mit seiner Frau. Ihr Tagesrhythmus ist so unerschütterlich wie die Berge, die sie umgeben.
Die Kinder sind aus dem Haus und die beiden richteten sich ihr Leben gemütlich ein. Sie haben alles, was man braucht. Auf Fremde machen sie einen sehr harmonischen und glücklichen Eindruck. Wenn beide Hand in Hand durch den Ort laufen, geht eine große Zufriedenheit von ihnen aus. Obwohl sie tagein und tagaus zusammen leben.
Der Mann und die Frau teilen sich in die Arbeit. Sie ist für all die Dinge im Haus zuständig und zeigt dabei viel Geschick. Er wiederum sorgt sich um das Geschäft. Man kann sagen, ihr Glück liegt in der Gewohnheit, in den täglichen Ritualen. Wenn zu Dorffesten und anderen Gelegenheiten über die neusten Skandale getuschelt wird, so sitzen sie still dabei und lächeln abwesend. Als würde man über etwas reden, was sie nicht kennen. Deshalb nennen sie auch einige Leute einfältig. Nichts kann ihren Frieden erschüttern.
Dann aber, an einem Tag kurz vor Weihnachten, hört der Mann, wie seine Frau aufgeregt in der Küche etwas sucht. Er findet sie völlig in Tränen aufgelöst. Sie bebt am ganzen Körper. Dann stößt sie hervor: “Der Bergkristall ist weg. Gestern hat er noch auf dem Regal gelegen.” Sie spricht von einem winzigen Rohstein, der seit Jahren an derselben Stelle liegt und eher für ein abgebrochenes Stück Kandiszucker gehalten werden könnte. Ein Fremder hätte ihn leicht als wertlos in den Müll geworfen. Aber weder der Mann noch die Frau rührten ihn je an.
“Du hast ihn weggenommen,” sagt sie zornig.
“Warum sollte ich das?”
“Aus Eifersucht.”
“Du tust mir unrecht.” An den traurigen Augen des Mannes ist eine tiefe Enttäuschung abzulesen. Dann sagt er leise: “Ich weiß schon lange, dass du ihn nicht vergessen kannst.”
“Also hast du den Stein genommen?”
Der Mann antwortet nicht mehr.
“Es war ein Geschenk von ihm.”
Der Mann ignoriert weiter ihre Worte. Dann stehen beide schweigend im Raum. Plötzlich ist sie wieder lebendig. Jene Zeit, in der seine Frau einen anderen Mann traf. Die Beziehung erschütterte die Ehe nachhaltig. In letzter Minute entschieden sie sich für dieses Leben in den Bergen, um zu sich zu finden. Hierher wird er uns nicht folgen können, hofften sie. Nun ist der andere so gegenwärtig, dass der Mann es nicht erträgt. Er verlässt das Haus und kehrt erst sehr spät am Abend zurück.
Einige Tage gehen sie sich aus dem Weg, doch so nach und nach normalisiert sich das Leben. Weihnachten kommt. Heiligabend besuchen sie die Kirche und treffen die Vorbereitungen für das Festmahl. Dann macht sich jeder schön für die Bescherung.
Der Mann findet seine Frau im Schlafzimmer, wo sie sich ein Abendkleid, das er besonders liebt, anzieht. Verlegen holt er ein kleines Päckchen hervor. “Das ist für dich. Passend zum Kleid.” Als sie es öffnet, findet sie ein silbernes Kettchen.
An ihm hängt, kunstvoll eingefasst, der Bergkristall.
Liebe Grüße zum Weihnachtsfest von eurer Uta-Moni
Kommentare
Christine Heilmann schrieb am 25. Dezember 2014 um 13:06 Uhr
Ja, so spielt manchmal das Leben. Wie schnell man auch in falsche Verdächtigungen geraten kann. Hast du prima geschrieben liebe Uta!